Die Reichspogromnacht in Hachenburg


Am 8./9. November 1938 fand in ganz Deutschland eine von den Nationalsozialisten organisierte Aktion statt, bei der gegen jüdische Einrichtungen vorgegangen wurde und in deren Verlauf viele Synagogen zerstört wurden.

Im Gegensatz zu anderen Orten in Deutschland wurde das Synagogengebäude in Hachenburg nicht zerstört. Allerdings fand in der Nacht vom 9. auf den 10. November eine von der SA durchgeführte Maßnahme statt, in deren Verlauf die Inneneinrichtung der Synagoge zertrümmert und die Kultgegenstände geplündert wurden. Der Grund dafür, dass die Synagoge nicht in Brand gesetzt wurde, lag, darin, dass die Synagoge in einem engbebauten Stadtteil stand und es unmittelbar an Nachbargebäude angrenzte, die Ariern gehörten. Man hatte Angst diese Wohnhäuser würden in Mitleidenschaft gezogen (Güth, W., Kempf, J.; Zachor ein Buch des Gedenkens. Zur Erinnerung an die jüdische Gemeinde, Hachenburg 1989, 134; Jungbluth, U., Nationalsozialistische Judenverfolgung im Westerwald, Koblenz 1994, 70.).

Außerdem wurde am 10 November massiv gegen jüdische Bürger vorgegangen. So drang die SA in jüdische Privatwohnungen und Geschäfte ein. Einzelne Juden wurden unter den Augen ihrer Mitbürger unter Verhöhnungen durch die Stadt getrieben. Güth und Kempf berichten in ihrem Buch, dass sogar die Schüler Hachenburgs für dieses entsetzliche Schauspiel schulfrei bekommen hatten. Die Reaktionen der nichtjüdischen Bevölkerung waren unterschiedlich. Eine große Anzahl Hachenburger Bürger fand Gefallen an dem Treiben und feuerte die SA sogar noch an. Aber es gab auch Mitbürger, die das Vorgehen nicht in Ordnung fanden. Allerdings lassen sich in der Literatur keine Hinweise finden, dass sie aktiv gegen diese Maßnahmen protestierten.

Ein Beispiel für das Vorgehen der SA ist die Maßnahme gegen das ältere Ehepaar Louis und Auguste Bernstein. Louis Bernstein war ein früheres Mitglied des Stadtrates. Beide Personen mussten einen Kochtopf nehmen, zwei Schritte gehen, sich bücken, den Topf aufnehmen hinstellen und weiter gehen. Dieses entwürdigende Geschehen geschah unter dem Gekrölle und dem Spott einer großen Menschenmenge. Hinzu kam, dass der fünfjährige Enkel der Beiden den Demütigungen seiner Großeltern zusehen musste und massiv getreten und geschlagen wurde (Güth/Kempf 135-136)

Zwei ältere Frauen, Minna Friedemann und Berta Engel, wurden auf einem Leiterwagen unter dem Gegrölle ihrer Mitbürger durch die Straßen gefahren. Auch hier wurden beide Frauen durch Tritte verletzt und misshandelt.
Alle anderen Juden wurden zusammengetrieben und mussten die Nacht eng zusammengepfercht in einem Raum in dem Haus von Alfred Weinberg in der Herrengasse verbringen.

Drei Männer, Alfred Weinberg, Sally Kahn und Siegfried Rosenthal, wurden in den nächsten Tagen mit einem Sammeltransport nach Limburg gebracht und schließlich im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Von ihnen weis man, dass sie zwar die Haft dort überlebt haben. Allerdings wurden sie später mit anderen Juden deportiert und ermordet (Güth /Kempf 136)

Auch wenn es in den nächsten Tagen nicht mehr zu körperlichen Übergriffen gegen die Hachenburger Juden kam, wurde auf andere Weise gegen sie vorgegangen. Hausrat, Sparbücher und Geschäftswaren wurden beschlagnahmt.

Die Kosten des Reichspogromnacht, d.h. die Kosten für die Bereitstellung der SA-Männer, wurden den Hachenburger Juden in Rechnung gestellt. Dies lies sich recht leicht bewerkstelligen, da Juden im März 1938 zur Angaben ihrer Vermögenswerte gezwungen worden waren (Güth /Kempf 137-139).

Am 3. Dezember 1938 schrieb die Stadt Hachenburg an den Kreis, dass es nun keine jüdischen Geschäfte mehr in Hachenburg gäbe. Die letzten beiden Geschäfte seien im Verlauf der Reichspogromnacht geschlossen worden und „gewerbepolizeilich“ abgemeldet worden (Güth / Kempf 139).

(Gudelius)


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